Re: DBMM Demo auf dem Rhein Main Multiversum 2020
Verfasst: Mo 15. Jun 2020, 14:36
Nach dem Durchlesen des Osprey-Bands von MacDowall gibt es an seiner Darstellung des Schlachtverlaufs drei Punkte, mit denen ich (gegenüber der Darstellung z.B. bei Brodka) nicht ganz einverstanden bin:
1. Die Wagenburg. Zur Form der Wagenburg hatte ich meine Meinung ja schon lang und breit dargelegt. Die einzigen Einwände, die MacDowall gegen die Kreisform vorbringt, bestehen 1. in der Länge der Marschkolonne (15km) und 2. im Durchmesser des Kreises (2-3km). Unter der Annahme, dass die Wagen nicht in einer einzigen Linie hintereinander gefahren sind, sondern zu zweit, dritt oder mehr bzw. mehrere parallele Kolonnen unterwegs waren, lässt sich dieser Einwand entkräften. Unter der Annahme, dass die Wagenburg aus mehreren (2 oder 3) konzentrischen Kreisen gebildet wurde (wie mehrere Autoren annehmen), wird auch der zweite Einwand entkräftet.
2. Der Standort der gotischen Infanterie. Ich glaube nicht, dass die überwiegende Mehrheit der gotischen Infanterie zu Beginn der Schlacht außerhalb der Wagenburg positioniert war. Ich denke, das Gros der Infanterie (bis auf einige Verbände wahrscheinlich Leichtbewaffneter, die die Zugänge zum Hügel bewachten und eventuell dafür Sorge tragen sollten, dass die Wagenburg nicht in den Flanken angegriffen bzw. umrundet werden konnte) hat sich während der diplomatischen Verhandlungen im Vorfeld der Kampfhandlungen hinter dem Schutz der Wagenburg aufgehalten, und blieb so lange dort, bis die gotische Reiterei auf dem Schlachtfeld erschien. Ich denke, Fritigern wollte die Schlacht bis genau zu diesem Zeitpunkt verzögern und hat seine Infanterie deshalb so lange wie möglich zurückgehalten. Erst, als die Sache sicher erschien, verließen sie die Wagenburg und stürmten zum Angriff vor. Ammianus Marcellinus schildert, wie die Goten sich "in großen Mengen ergießen" (effusi = ausgießen), was auch eher impliziert, dass die Massen aus der Wagenburg heraus stürmen, gleichsam wie aus einem überlaufenden Fass.
3. Die Position der römischen Reiterei. Dass die römische Reiterei vom rechten Flügel auf dem linken Flügel operiert und vom Hauptangriff der später eintreffenden gotischen Reiterei dort erwischt wird, wie MacDowall annimmt, scheint mir nicht schlüssig. Wäre der Aufmarsch so, wie von ihm geschildert abgelaufen, d.h. dass die Reiterei vom rechten Flügel, die sich am vorderen Ende der Marschkolonne befand, den Aufmarsch der Truppen über die gesamte Breite der Front abschirmt, hätte sich die Reiterei in einer sehr dünnen Linie formieren müssen, was mir nicht nachvollziehbar erscheint. Im Allgemeinen folgen die Römer dem strikten Muster, ihre Reiterei des rechten Flügels auf dem rechten Flügel und die vom linken Flügel auf dem linken Flügel zu positionieren. Vielleicht hat die Reiterei des rechten Flügels, die sich am Kopf der Marschkolonne befand, zeitweise den Aufmarsch der Infanterie im Zentrum gedeckt, sie wurde aber vermutlich spätestens dann auf den rechten Flügel gezogen, als die Reiterei des linken Flügels, vom Ende der Kolonne her aufmarschierend, auf dem linken Flügel ihre Stellung bezogen hat. Die diplomatischen Verhandlungen, die geschätzt mindestens 30 Minuten, eher 60 Minuten oder länger gedauert haben (es wurden mehrere Gesandtschaften hin- und hergeschickt), hatten ja nicht nur die von Fritigern gewünschte Wirkung, dass die gotischen Reiterverbände das Schlachtfeld erreichten, sondern sie hatten auch den Nebeneffekt, dass die Römer ihre Aufstellung weitgehend vollenden konnten. Das heißt eben auch, dass die Reiterei des linken Flügels die nötige Zeit bekam, sich auf dem linken Flügel - wenn auch hastig - zu positionieren, so dass es keinen Grund gab, dass die Reiterei des rechten Flügels irgendwelche Aktionen auf dem linken Flügel unternehmen musste. (Eine solche ungewöhnliche Aktion wäre vermutlich auch explizit von Ammianus Marcellinus geschildert worden, was aber nicht der Fall ist.) Ammianus schreibt hierzu ja explizit: "Der linke Flügel der Reiterei ließ sich nur mit großer Mühe zusammenführen, da er noch zum großen Teil auf dem Marsch verstreut war, und eilte schnell vor. Und während sich dieser Flügel noch ohne jede Störung auseinanderzog, wurden die Barbaren durch das ... Klirren der Waffen ... in Schrecken versetzt." Also: große Mühe - ja, eilig - ja, aber ungestört den Aufmarsch vollendet. Der überstürzte Angriff von Teilen der römischen Reiterei auf dem linken Flügel ereignete sich ja erst, als die Verhandlungen so weit fortgeschritten waren, dass der römische Offizier Richomeres, sich freiwillig als Geisel stellend, bereits auf dem Weg zur gotischen Wagenburg war, also erst sehr spät im Verlauf der Verhandlungen. Zu diesem Zeitpunkt war der römische Aufmarsch komplett. Ich könnte mir vorstellen, dass die Reiterei des linken Flügels (bzw. die elitären Teile unter ihnen, die in vorderster Reihe positioniert waren) durch den hektischen Aufmarsch überambitioniert und ihren Informationsstand betreffend auch nicht auf der Höhe des Geschehens war, so dass sie noch während der laufenden diplomatischen Verhandlungen ohne Befehl zum Angriff übergegangen ist. Oder sie wurde tatsächlich ursprünglich nur auf Erkundung geschickt und hat sich dann in ungeplante Scharmützel verwickeln lassen, aber das ist spekulativ...
Gruß Jens
1. Die Wagenburg. Zur Form der Wagenburg hatte ich meine Meinung ja schon lang und breit dargelegt. Die einzigen Einwände, die MacDowall gegen die Kreisform vorbringt, bestehen 1. in der Länge der Marschkolonne (15km) und 2. im Durchmesser des Kreises (2-3km). Unter der Annahme, dass die Wagen nicht in einer einzigen Linie hintereinander gefahren sind, sondern zu zweit, dritt oder mehr bzw. mehrere parallele Kolonnen unterwegs waren, lässt sich dieser Einwand entkräften. Unter der Annahme, dass die Wagenburg aus mehreren (2 oder 3) konzentrischen Kreisen gebildet wurde (wie mehrere Autoren annehmen), wird auch der zweite Einwand entkräftet.
2. Der Standort der gotischen Infanterie. Ich glaube nicht, dass die überwiegende Mehrheit der gotischen Infanterie zu Beginn der Schlacht außerhalb der Wagenburg positioniert war. Ich denke, das Gros der Infanterie (bis auf einige Verbände wahrscheinlich Leichtbewaffneter, die die Zugänge zum Hügel bewachten und eventuell dafür Sorge tragen sollten, dass die Wagenburg nicht in den Flanken angegriffen bzw. umrundet werden konnte) hat sich während der diplomatischen Verhandlungen im Vorfeld der Kampfhandlungen hinter dem Schutz der Wagenburg aufgehalten, und blieb so lange dort, bis die gotische Reiterei auf dem Schlachtfeld erschien. Ich denke, Fritigern wollte die Schlacht bis genau zu diesem Zeitpunkt verzögern und hat seine Infanterie deshalb so lange wie möglich zurückgehalten. Erst, als die Sache sicher erschien, verließen sie die Wagenburg und stürmten zum Angriff vor. Ammianus Marcellinus schildert, wie die Goten sich "in großen Mengen ergießen" (effusi = ausgießen), was auch eher impliziert, dass die Massen aus der Wagenburg heraus stürmen, gleichsam wie aus einem überlaufenden Fass.
3. Die Position der römischen Reiterei. Dass die römische Reiterei vom rechten Flügel auf dem linken Flügel operiert und vom Hauptangriff der später eintreffenden gotischen Reiterei dort erwischt wird, wie MacDowall annimmt, scheint mir nicht schlüssig. Wäre der Aufmarsch so, wie von ihm geschildert abgelaufen, d.h. dass die Reiterei vom rechten Flügel, die sich am vorderen Ende der Marschkolonne befand, den Aufmarsch der Truppen über die gesamte Breite der Front abschirmt, hätte sich die Reiterei in einer sehr dünnen Linie formieren müssen, was mir nicht nachvollziehbar erscheint. Im Allgemeinen folgen die Römer dem strikten Muster, ihre Reiterei des rechten Flügels auf dem rechten Flügel und die vom linken Flügel auf dem linken Flügel zu positionieren. Vielleicht hat die Reiterei des rechten Flügels, die sich am Kopf der Marschkolonne befand, zeitweise den Aufmarsch der Infanterie im Zentrum gedeckt, sie wurde aber vermutlich spätestens dann auf den rechten Flügel gezogen, als die Reiterei des linken Flügels, vom Ende der Kolonne her aufmarschierend, auf dem linken Flügel ihre Stellung bezogen hat. Die diplomatischen Verhandlungen, die geschätzt mindestens 30 Minuten, eher 60 Minuten oder länger gedauert haben (es wurden mehrere Gesandtschaften hin- und hergeschickt), hatten ja nicht nur die von Fritigern gewünschte Wirkung, dass die gotischen Reiterverbände das Schlachtfeld erreichten, sondern sie hatten auch den Nebeneffekt, dass die Römer ihre Aufstellung weitgehend vollenden konnten. Das heißt eben auch, dass die Reiterei des linken Flügels die nötige Zeit bekam, sich auf dem linken Flügel - wenn auch hastig - zu positionieren, so dass es keinen Grund gab, dass die Reiterei des rechten Flügels irgendwelche Aktionen auf dem linken Flügel unternehmen musste. (Eine solche ungewöhnliche Aktion wäre vermutlich auch explizit von Ammianus Marcellinus geschildert worden, was aber nicht der Fall ist.) Ammianus schreibt hierzu ja explizit: "Der linke Flügel der Reiterei ließ sich nur mit großer Mühe zusammenführen, da er noch zum großen Teil auf dem Marsch verstreut war, und eilte schnell vor. Und während sich dieser Flügel noch ohne jede Störung auseinanderzog, wurden die Barbaren durch das ... Klirren der Waffen ... in Schrecken versetzt." Also: große Mühe - ja, eilig - ja, aber ungestört den Aufmarsch vollendet. Der überstürzte Angriff von Teilen der römischen Reiterei auf dem linken Flügel ereignete sich ja erst, als die Verhandlungen so weit fortgeschritten waren, dass der römische Offizier Richomeres, sich freiwillig als Geisel stellend, bereits auf dem Weg zur gotischen Wagenburg war, also erst sehr spät im Verlauf der Verhandlungen. Zu diesem Zeitpunkt war der römische Aufmarsch komplett. Ich könnte mir vorstellen, dass die Reiterei des linken Flügels (bzw. die elitären Teile unter ihnen, die in vorderster Reihe positioniert waren) durch den hektischen Aufmarsch überambitioniert und ihren Informationsstand betreffend auch nicht auf der Höhe des Geschehens war, so dass sie noch während der laufenden diplomatischen Verhandlungen ohne Befehl zum Angriff übergegangen ist. Oder sie wurde tatsächlich ursprünglich nur auf Erkundung geschickt und hat sich dann in ungeplante Scharmützel verwickeln lassen, aber das ist spekulativ...
Gruß Jens