Ausgehend von meinen Theorien zur gotischen Wagenburg (siehe Artikelscan aus dem Magazin "Slingshot" oben) präsentiere ich weitere Überlegungen sowie Berechnungen zur Simulation der Schlacht von Adrianopel (378 n. Chr.) mit dem Regelwerk "DBMM". Es geht bei allen diesen Überlegungen um die Frage nach der Plausibilität dieser
spezifischen Interpretation der Schlacht, nicht um eine, die absolut gültig und über jeden Zweifel erhaben ist (eine solche kann es aufgrund der spärlichen Quellenlage nicht geben).
Vorab noch einmal eine Klärung des Maßstabs bzw. der Größenverhältnisse, welche für DBMM mit 15mm-Figuren gelten (DBMM-Regelwerk, S. 3: "Representational Scales"). Die Spielplatte misst 1,8m x 1,2m. Spielinterne Maßeinheit sind "paces" (p), wobei 1p 0,75m in der Realität entspricht. Die Vorderkante der Basen hat stets eine Breite von 4cm, das sind laut Regelwerk 80p, was wiederum in der realen Welt 60m entspricht. Die lange Tischkante von 1,8m entspricht folglich in der Spielwelt 2700m.
Zuerst zur
Wagenburg: Meine Berechnungen hatten ergeben, dass 2000 Wagen auf zwei parallele konzentrische Ringe verteilt einen Kreis mit einem Durchmesser von 955m ergeben (zur Erinnerung: das ist nur unwesentlich größer, als ein standardmäßiges römisches Marschlager für ca. 20.000 Mann!). Dies war die kleinere der beiden berechneten Größen, ich hatte auch eine für 3000 Wagen ermittelt, aber ich werde im Folgenden von der kleineren Anzahl ausgehen, weil die Tendenz ja sowieso bei vielen Historikern und Autoren dahin geht, die traditionellen Zahlenanagben für antike Schlachten als übertrieben zu bewerten. Ein Kreis von 955m Durchmesser hat in der DBMM-Welt auf dem Spieltisch einen Durchmesser von ca. 0,64m. Ich habe einen solchen Kreis auf der Abbildung eingezeichnet (blaue
Nummer 1). Wie man sieht, kommt man zu einer realistischen, plausiblen Repräsentation der Wagenburg: Man kann sie auf einem standardmäßigen DBMM-Spieltisch errichten, ohne dass sie überdimensioniert, aber auch nicht unterdimensioniert erscheint. Man muss weder den Maßstab verändern noch den Tisch vergrößern oder anderweitige Regelmodifikationen vornehmen, um das Ganze irgendwie "passend" zu machen. Freilich passt der hintere Teil nicht mehr auf die Spielplatte, aber das hat keine gravierenden Konsequenzen, da die Schlacht "vorne" stattfindet (zudem lässt sich ja auch ein "normales" DBMM-Lager nicht aus dem rückwärtigen Raum angreifen, weil es mit den Hinterkanten den Spieltisch berührt). Möchte man die Wagenburg partout vollständig auf dem Spieltisch darstellen, könnte man den Tisch notfalls auch um ca. einen halben Meter vergrößern, aber das halte ich nicht für notwendig.
Als zweiten Punkt habe ich mir die Repräsentation der
römischen Infanterie angeschaut. Ich bin von den - in meinen Augen realistischen - Angaben von Simon MacDowell in seinem Buch "Adrianople AD 378" (Osprey Publishing) ausgegangen. Ihm zufolge bestand die römische Armee aus ca. 15.000 Mann, die sich wie folgt zusammensetzten: 1500
Scholae (Kavallerie), 1000
Equites Palatinae (Kavallerie), 1500
Equites Comitatensis (Kavallerie), 5000
Legiones Palatinae (Infanterie), 6000
Auxilia Palatinae (Infanterie).
Hier interessiert vorerst nur die Infanterie, und zwar zuerst die
Legionen (5000 Mann). Aus dem
Strategikon des Maurikios, einem byzantinischen Militärhandbuch aus dem späten 6. Jahrhundert (dessen Gültigkeit in den grundsätzlichen Aussagen aber auch für das späte 4. Jahrhundert angenommen werden kann), erfährt man, dass die spätantiken Legionäre in 4, 8 oder 16 Reihen kämpften, wobei 8 Reihen üblich waren und insofern auch für Adrianopel angenommen werden können (siehe hierzu Simon MacDowell, Late Roman Infantryman 236-565 AD, Osprey Publishing). 5000 Legionäre in acht Reihen ergeben 625 Mann pro Reihe. Der Militärtheoretiker
Vegetius hat am Ende des 4. Jahrhunderts geschrieben, dass ein einzelner Legionär in der Schlachtreihe einen Raum von 1m in der Breite und 2m in der Tiefe okkupierte (ebenfalls MacDowall, Late Roman Infantryman). Man kann also rechnen: 5000 Legionäre in 8 Reihen nahmen eine Breite von 625m und eine Tiefe von 16m ein. Übersetzt in den DBMM-Spielmaßstab sind dies ca. 0,42m x 0,01m (= 42cm x 1cm), was ziemlich exakt 10 aneinandergereihten Elementen entspricht, da ein Element Legionäre ("Blades") die Maße 4cm x 1,5cm aufweist. - Man könnte nun aus spielpraktischen Gründen den Einwand erheben, 10 Bd-Elemente seien zu wenig. Eine Lösung wäre, die Anzahl der Elemente auf 20 zu verdoppeln, um den Römern mehr Schlagkraft zu geben und das Spiel somit vermutlich ausgeglichener und damit spannender zu gestalten. Von der reinen Betrachtung des Maßstabs her ist das zwar problematisch (der vertikale Abstand zwischen den römischen Linien würde - in der realen Welt - mehr als 5m betragen), aber, wie gesagt, aus spielpraktischen Gründen ist das wahrscheinlich eine probate Lösung (es würde im Übrigen auch der Vorgabe in der spätrömischen DBMM-Armeeliste von "1 per 4 Bd" für die unterstützenden Bogenschützen besser entsprechen - dazu unten mehr). Ich habe deshalb in der Abbildung zwei Reihen Blade-Elemente eingezeichnet (das sind die vorderen beiden Reihen bei der roten
Nummer 2). Auch hier sieht man wieder: die Größenverhältnisse bezogen auf den Spieltisch, aber auch in Bezug zum gotischen Wagenlager, erscheinen plausibel.
Neben den Legionen gibt es noch die 6000 Mann starken
Auxilia Palatinae. Diese setzen sich in meinen Augen vorrangig zusammen aus den drei Gruppen 1. "ungebundene" Bogenschützen, 2. spezielle Bogenschützen zur Unterstützung der Legionäre (wobei Bogenschützen hier auf die Bewaffnung verweist, nicht auf den DBMM-Elementtyp "Bow") sowie 3. der Reserve, den Batavern. Mein Vorschlag wäre ein Verhältnis von 4000 Mann : 675 Mann : 1400 Mann.
Zuerst zur mittleren Zahl: Hinter den acht Reihen Legionären stand bei den spätantiken Römern üblicherweise eine (neunte) Reihe Bogenschützen, die über die Köpfe der Legionäre hinwegschossen und diese damit unterstützten (dies wird auch in DBMM berücksichtigt, indem solcherart unterstützte Blades einen "Rear Support" erhalten). (Zur neunten Reihe siehe ebenfalls MacDowall, Late Roman Infantryman.) Das ist auf der Abbildung durch die dritte Reihe bei der roten
Nummer 2 repräsentiert (die Basen der Psiloi haben eine Breite von 2cm, obwohl es sich hier nur um eine Ein-Mann-Reihe handelt, aber das soll keine Rolle spielen...).
Links und rechts von den Legionären habe ich die "ungebundenen" Bogenschützen platziert (rote
Nummer 3 - es handelt sich auf beiden Seiten um die exakt gleiche Anzahl, aber in zwei verschiedenen Anordnungen), die ebenfalls aus "Psiloi" bestehen (wobei man stattdessen vielleicht auch ein paar "Bow"-Elemente aufstellen könnte...?). Es handelt sich um jeweils 2000 Mann, die, wenn sie beispielsweise vier Reihen tief gestaffelt sind (die Bogenschützen konnten ja über die Köpfe ihrer Vordermänner hinwegschießen), eine Breite von 500m einnehmen würden (bei angenommenem Abstand von 1m pro Person, wie bei den Legionären - ich nehme hier eine rigidere und diszipliniertere Aufstellung an als ein ungeordneter, lockerer Haufen von Leichtbewaffneten früherer Zeiten). Das ergibt im DBMM-Maßstab, wenn man die Elemente nebeneinander platziert, eine Breite von ca. 32cm, d.h. 8 Elemente (wie auf der linken Seite dargestellt), eine entsprechend geringere Breite, wenn man die 8 Elemente anders platziert (wie auf der rechten Seite).
Zuletzt zur Reserve, den Batavern. In Ermangelung konkreter Angaben habe ich die Stärke der Reserve auf 1400 Mann angesetzt, das sind ca. 10% der Armee, was mir sinnvoll erscheint. (Simon MacDowall scheint eher von ca. 500 Mann auszugehen, wenn ich seine Auflistung in "Adrianople AD 378" korrekt verstehe...) Ich nehme für diese 1400 Mann eine Aufstellung in 4 Reihen an (was sie flexibler macht als eine dicht gepacktere Aufstellung in 8 oder gar 16 Reihen), so dass sich eine Breite von 350 Metern ergibt (wieder unter der Annahme, dass ein Mann einen Platz von 1m einnimmt). Das wären im DBMM-Maßstab ca. 24 cm, d.h. sechs nebeneinander stehende Elemente. In der Abbildung habe ich diese sechs Elemente aber abweichend in zwei Reihen zu je drei Elementen platziert (rote
Nummer 4), aber das ist "Geschmacksache".
Fazit: Die Aufstellung sowohl der gotischen Wagenburg als auch der römischen Infanterie erscheint meines Erachtens sowohl von der Anzahl der Elemente als auch den Dimensionen plausibel. 40cm für die Legionäre, 100cm für die gesamte römische Infanterie, 64cm für die Wagenburg - alles passt perfekt auf eine normale Spielplatte und mutet von den Proportionen realistisch und "natürlich" an.
Außerdem ist hervorzuheben, dass annähernd die gesamte römische Infanterie mit der offiziellen DBMM-Armeeliste
2/78 LATE IMPERIAL ROMAN 307 AD - 408 AD aufgestellt werden kann, also mit einer fast legalen Liste, ohne sie sehr stark modifizieren zu müssen (außer bei den Blades, von denen laut Liste nur 16 Elemente erlaubt sind - es sei denn, man verzichtet auf die Lösung mit der Blade-Doppelreihe und stellt doch nur 10 Elemente auf, wie oben ausgeführt).
Das Ganze soll natürlich noch keine endgültige Aufstellung sein, keine finale Platzierung der Elemente (es fehlen ja auch noch sehr viele davon), sondern nur ein Versuch, ausgehend von den angenommenen Zahlen zu schauen, ob und wieviele von den Elementen prinzipiell auf die Platte passen und ob vor diesem Hintergrund eine sinnvolle Aufstellung machbar ist...
Die Frage nach der gotischen Infanterie/Kavallerie sowie der römischen Kavallerie folgt irgendwann später, wenn ich die Zeit finde. Dann wird der Spieltisch noch ein wenig voller
Gruß Jens